Von der Kunst des Röstens und Brühens
Kaffeelabor an der Hochschule
Ein richtig guter Kaffee ist eine Wissenschaft für sich. Zumindest sieht man das an der Hochschule in Geisenheim so. Im eigenen Kaffeelabor samt Röstofen lehren dort die Professoren.
30.12.2014, von Oliver Bock, Geisenheim
© Michael Kretzer Keine falsche Rücksicht, bitte: Beim Schnuppertest reichen die Kommentare von „verbrannt“ bis „Gemüsebrühe“.
Konzentriert schnuppern die Studenten an den randvoll mit der schwarzen Brühe gefüllten Gläsern aus dem schwedischen Möbelmarkt. „Verbrannt“, „Reifengummi“, „Tabak“, „würzig“, „brotig“, „Gemüsebrühe“, lauten die ersten Kommentare zu Geruch und Geschmack. Im neuen Kaffeelabor der Hochschule Geisenheim sind höfliche Floskeln zum Geschmack des frisch gebrühten Kaffees fehl am Platz. Dort geht es um die streng akademische Annäherung an die schwarze Bohne und ihr Auftreten im Glas. „Cupping“ nennt Bernd Lindemann, Professor an der Hochschule Geisenheim University, die sensorische Beurteilung dessen, was kurz zuvor dampfend die Röstmaschine verlassen hat.
Geisenheim genießt als Universität des Weinbaus Weltruf, doch außer der Önologie gibt es auch noch die Fachrichtung Getränketechnologie. Hier lernen die Studenten allerlei Säfte und Spirituosen herzustellen, aber auch Limonaden und Schaumwein. Nur an Milch als „tierisches Lebensmittel“ wagen sich die Studenten nicht, aber davon abgesehen lernen sie im Getränketechnologischen Zentrum den verfahrenstechnischen Umgang mit allen flüssigen Lebensmitteln: von der Gewinnung der Rohstoffe über die Verarbeitung bis hin zur Verpackung und Vermarktung.
Steuer auf das Kaffeerösten
Dabei stellt die Hochschule vor allem die Praxis in den Vordergrund. Die Studenten sollen nicht nur in Vorlesungen und Seminaren die Theorie lernen, sondern in Projekten selbst unternehmerisch tätig werden. Dazu gehört die Entwicklung eines „verkehrsfähigen Getränks“ samt Deklaration bis zur Marktreife für das Regal im Lebensmittelmarkt. Sie müssen die Rohware und die nötigen Hilfsstoffe auswählen und am Ende ein Produkt vorzeigen können, das laut Lindemann „mindestens so gut ist wie das im Supermarkt“. Dann erfüllt die Hochschule das selbstgesteckte Ziel, dass ihre Bachelor-Absolventen über eine hohe Praxiserfahrung verfügen und unmittelbar in den Beruf einsteigen können.
© Michael Kretzer Hier werden die Bohnen
geröstet: Experte Bernd Lindemann an der
Röstmaschine
Wer darüber hinaus noch Ambitionen hat und einen Master anstrebt, dem bietet die Hochschule unter anderem den Zugang in das vor einem Jahr eröffnete Kaffeelabor, in das die Hochschule rund 50.000 Euro gesteckt hat. Dort lernen die Getränketechnologen alles über den Kaffee, seine Herkunft und Sorten; aber sie lernen auch das Rösten, die Analyse und das Verkosten.
Herzstück des Kaffeelabors ist der Röstofen, in dem die helle Rohware aus den klassischen Erzeugerländern über eine stark erhitzte Siebtrommel bei 130 bis 200 Grad in dunkelbraune Bohnen verwandelt wird. Etwa zehn bis 20 Minuten dauert der Röstvorgang, der die Hochschule allerdings Geld kostet, denn der Staat kassiert danach 2,60 Euro je Kilogramm Kaffeesteuer.
Einfache Tipps für besseren Kaffee
Sind die Bohnen abgekühlt und ausgegast, beginnt die Kaffeeherstellung, und das ist eine Wissenschaft für sich mit kaum überschaubaren Variationen. Über jede einzelne wird deshalb sorgsam Protokoll geführt. Die Variablen sind unter anderem Mischung und Reinheit der Bohnen unterschiedlicher Herkunft und Charakteristika, ferner der Mahlgrad und die Körnung des Pulvers, verwendete Menge des Kaffeepulvers, Brühtemperatur und nicht zuletzt die Wasserhärte und -beschaffenheit. „Man kann beim Brühen viel falsch machen“, sagt Lindemann. Zudem komme es entscheidend darauf an, ob aus dem fertigen Kaffeepulver am Ende Kaffee gekocht oder Espresso gebrüht werden solle. Was für einen Kaffee hervorragend tauge, könnte für einen Espresso kaum zu gebrauchen sein. „Handgepflückt“ sei bei Kaffeebohnen in jedem Fall ein Qualitätsmerkmal, auf das der Genießer achten könne.
Dem leidenschaftlichen Kaffeetrinker gibt Lindemann für das beste Ergebnis in der Tasse einen einfachen Rat. Wer für die Bohnen ein bisschen mehr Geld ausgebe, statt auf jeden Cent zu achten, wer dann die Bohnen erst unmittelbar vor dem Brühen mahle und nicht weniger als acht Gramm Pulver je Tasse verwende, wer schließlich mit nicht mehr kochendem Wasser brühe und den Kaffee vor dem Trinken drei Minuten ziehen lasse, der „hat schon die halbe Miete“.
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